Bruce LaBruce wird bald 50, aber ist immer noch ein Punk. Sein neuer Film Geron erzählt eine Liebesgeschichte zwischen einem Teenager und einem Greis. Ein Gespräch über Sex im Alter, die Kinsey-Skala und mutige Frauen.
BRUCE, GERON IST FÜR IHRE VERHÄLTNISSE GERADEZU ZAHM. WORAN LIEGT DAS?
Bruce LaBruce: Ich wollte mal einen Film machen, der ein größeres Publikum anspricht. Ich hatte auch ein großes Budget zur Verfügung um ihn zu realisieren, fast eine Million Dollar. Und dachte, Das ist meine Chance so etwas Ähnliches zu drehen, wie eine romantische Komödie.
DIE OFFENSICHTLICHE REFERENZ IST HAROLD UND MAUDE, ODER?
Ja, obwohl Geron damit nicht viel mehr gemeinsam hat, als dass sich ein junger Mensch in einen alten Menschen verliebt. Ich weiß nicht einmal, ob ich bei Geron wirklich von Liebe sprechen würde. Lake, mein jugendlicher Held, hat einen Fetisch, er steht auf alte Körper. Das er Mr. Peabody, seinen 80-jährigen Freund, als vollständigen Menschen wahrnimmt, kommt später. Erst mal findet er ihn geil.
WARUM IST DAS WICHTIG?
Weil mich sexuelle Abweichungen interessieren. Ich finde Sex und wie wir damit umgehen ein endlos spannendes Thema. Und über Gerontophilie wird nie gesprochen. Älteren Menschen wird sowieso keine eigene Erotik oder Sexualität zugestanden. Dabei findet auch über 70 noch Sex statt, und wie ich bei meinen Recherchen herausgefunden habe, nicht gerade wenig.
IST LAKE SCHWUL?
Da würde ich mich nicht festlegen wollen. Er mag alte Frauen und alte Männer. Und trifft nun einmal diesen älteren Gentleman, der ihn interessiert. Dabei geht es, glaube ich, nicht um Geschlecht. Dieser Übertritt ins Geschlechtlose ist auch etwas das mich an Fetischen interessiert.
WAR DAS CASTING FÜR DEN FILM SCHWIERIG?
Wir haben lange und intensiv gecastet. Pier-Gabriel Lajoie, der Lake gespielt hat, war nicht der Beste, aber er hatte eine Unschuld und Furchtlosigkeit, die ich sehr spannend fand und für den Film unbedingt brauchte. Und mein Mr. Peabody, Walter Borden, ist ein gestandener kanadischer Theaterschauspieler. Er gab der Figur genau die Art von Selbstbewusstsein und Würde mit, nach der ich gesucht hatte.
MUSSTEN SIE DA VIEL NACHHELFEN UND ERKLÄREN?
Gelegentlich. Ich musste ihm sagen, dass er es tuntiger machen soll. Er hatte das sehr gelassen gespielt. Warum das so war habe ich erst deutlich später erfahren, nachdem die Dreharbeiten vorbei waren. Walter hat einen fast 40 Jahre jüngeren Freund, mit dem er schon länger zusammen ist. Darüber haben wir während des Drehs einfach nie gesprochen. Vielleicht hätte ich darauf kommen können, weil er zu gar kein Problem damit hatte, seinen Körper vor der Kamera auch als erotisches Objekt zu präsentieren.
UND WIEDER GIBT ES EINE FRAUENFIGUR, DIE POLITISCHE PAROLEN AUSSPUCKT UND IRONISIERT. SIND FRAUEN DA AUTOMATISCH LUSTIGER?
Das würde ich nicht sagen. Aber wenn sie großartige, mutige Darstellerinnen haben, wie hier Katie Boland oder Susanne Sachße in The Rasberry Reich, ist das ein Pfund, mit dem man wuchern sollte, finde ich.
FINDEN SIE FRAUEN SCHÖN?
Gelegentlich sehr.
EROTISCH?
Auch. Aber ich bin zu meinem großen Bedauern eine komplette Sechs auf der Kinsey Skala, also rein homosexuell.
WARUM BEDAUERN SIE DAS?
Weil es so verklemmt ist. Spießig irgendwie. Bisexualität oder komplette Offenheit für jede Art von sexueller Erfahrung sind doch viel interessanter. Aber so bin ich nicht gebaut. Schade.
VON VIELEN IHRER FILME GIBT ES EINE SOFTE UND EINE HARDCORE-VERSION. VON GERON AUCH?
Nein. Wie gesagt, Geron ist meine romantische Komödie. Das ist hardcore genug. (lacht)